Was versteht man unter „Massenanfall von Verletzten“?
Man spricht von einem Massenanfall von Verletzten (MANV), wenn eine große Anzahl an betroffenen Personen versorgt werden muss. Die Gründe hierfür können sehr unterschiedlich sein. Angefangen bei einem Autounfall, über Explosionen durch Industrieunglücke oder Terroranschläge bis hin zu Seuchen und CBRN (Chemische, Biologische, Radiologische und Nukleare)-Angriffen. Häufig ist auch die Rede von einem Großunfall oder einer Großschadenslage.
Ab wann spricht man von einem Massenanfall von Verletzten?
Die landesweiten MANV-Stichworte für die Einsatzplanung und Erstalarmierung richten sich nach der Anzahl der vermuteten verletzten oder erkrankten Personen bzw. der Alarmierungsstufe. Ab mindestens fünf zu versorgenden Personen spricht man von einem Massenanfall von Verletzten. Die niedrigste MANV Stufe ist folglich MANV 5. Die weitere Untergliederung sieht dann wie folgt aus: MANV 15 (zwischen 5 und 15 Betroffene), MANV 25 (zwischen 15 und 25 Betroffenen), MANV 50 (zwischen 25 und 50 betroffenen Personen), MANV 100 (zwischen 50 und 100 betroffenen Personen), MANV 250 (zwischen 100 und 250 Betroffene).
Treten zufällig zur gleichen Zeit mehrere einzelne Notfälle zur Erstversorgung auf, gilt dies nicht als MANV. Auch wenn für einzelne Notfälle Spezialmaterial, wie Schutzausrüstung oder technische Hilfe, aus größerer Entfernung angefordert werden muss, wird dies nicht als MANV angesehen.
Was ist ein ÜMANV bzw. eine ÜMANV-Einheit
Bei einem Schadensereignis, das die Unterstützung aus den Nachbarlandkreisen erfordert, wird die ÜMANV-Einheit alarmiert. Das Ü steht für Überregional. Die Alarmierung der ÜMANV-Einheit erfolgt durch die jeweilige Leitstelle des entsendeten Landkreises.
Insgesamt wurden drei verschiedene ÜMANV-Einheiten konzipiert:
ÜMANV-S (Sofort)
Eine Einheit aus vier Rettungsmitteln, die sofort nach Alarmierung ausrücken.
ÜMANV-B (Behandlungseinheit)
Teil des Katastrophenschutzes und der Kategorie ÜMANV-B zugehörig, ist das Ausrücken des Gerätewagens Sanität verschiedener Hilfsorganisationen. Dieser hat im Ernstfall katastrophenmedizinisches Material zum Errichten und Betreiben eines Behandlungsplatzes geladen.
Unter ÜMANV-B fällt auch die Alarmierung der ehrenamtlichen Helfer:innen via Funkalarm.
ÜMANV-T (Transport)
Diese Kategorie umfasst den Einsatz des Rettungsdienstes des Sanitätszuges zur Beförderung der Patient:innen vom Behandlungsplatz in die aufnehmende Klinik. Die Alarmierung erfolgt auch hier via Funkmeldung oder telefonisch.
Ablauf bei einem Massenanfall von Verletzten
Sowohl die Personen vor Ort als auch die regionalen Einsatzkräfte gelangen bei einem Massenanfall von Verletzten schnell an die Kapazitätsgrenzen. Aufgrund der Anzahl der verletzten Personen sowie der äußeren, meist unübersichtlichen Gegebenheiten herrscht zunächst häufig Chaos. Somit ist die wichtigste Maßnahme: Ordnung schaffen. Denn nur so können alle Patient:innen effizient versorgt werden. Bei einem MANV übernimmt der leitende Notarzt die medizinische Führung und Koordination des Einsatzes.
Alle Patient:innen werden an einer Patientenablage gesammelt. Diese Stelle befindet sich bestenfalls außerhalb des Gefahrenbereichs. Nur so können Patient:innen sicher behandelt und versorgt werden. Sollten betroffene Personen kontaminiert sein, ist es notwendig, diese zunächst zu dekontaminieren, um eine Weiterverbreitung zu unterbinden.
Sofern nicht genügend Transportmittel zur Weiterfahrt in umliegende Krankenhäuser zur Verfügung stehen, findet die Behandlung vor Ort an einem separaten Behandlungsplatz statt.
Wie sollte man sich bei einem MANV Szenario verhalten?
Nach der Alarmierung ist es wichtig, dass die helfenden Personen vor Ort Ruhe bewahren und sich zunächst einen Überblick verschaffen. Anschließend sollten die Verunfallten gesichtet und der Unglücksort erkundet werden.
Bei starken Blutungen helfen in der Regel keine herkömmlichen Verbände. Hier greift man meist auf hämostyptische Verbandstoffe oder Abbindesysteme zurück. Für die direkte Wundversorgung können auch Emergency Bandagen eingesetzt werden. Um im Ernstfall die wichtigsten Maßnahmen einleiten zu können, haben wir mit erfahrenen Rettungssanitäter:innen ein entsprechendes Trauma Kit zusammengestellt.
Somit können starkblutende Wunden optimal und schnell erstversorgt werden.
Die Stufen bei einem MANV
Vor der eigentlichen Versorgung der Patienten werden diese zunächst gezählt und kategorisiert. Das Vorgehen geht auf die Militärmedizin zurück. Ziel hierbei ist es, die knappen Rettungskräfte zu priorisieren. So legt man den Fokus zunächst auf Patienten mit hohen Überlebenschancen.
Patienten werden bei einem MANV mit einem Filzstift durchnummeriert und in eine von vier Sichtungskategorien eingeordnet. Eine solche Einordnung nennt sich „Triage“ und folgt der Dringlichkeit der Versorgung bzw. Behandlung. Die Markierung erfolgt in der Regel mit Hilfe farbiger Verletztenanhängerkarten.
Man unterscheidet zwischen den Kategorien blau (ohne Überlebenschance), rot (akut, Sofortbehandlung), gelb (schwer verletzt, aufgeschobene Dringlichkeit) und grün (leicht verletzt, spätere Behandlung).
Sichtungskategorie | Farbcode | Behandlung | Beschreibung |
---|---|---|---|
SK 1 | Rot | Sofortbehandlung | Akute, vitale Bedrohung |
SK 2 | Gelb | Aufgeschobene Behandlungsdringlichkeit | Schwer verletzt / erkrankt |
SK 3 | Grün | Spätere (ambulante) Behandlung | Leicht verletzt / erkrankt |
SK 4 | Blau | Betreibende (abwartende) Behandlung | Ohne Überlebenschance |
Tot | Schwarz | - | - |
Das STaRT-Schema bei einem Massenanfall von Verletzten
Zur Kategorisierung bzw. zur Triage greift man auf das STaRT Schema zurück. Die Abkürzung steht für Simple Triage and Rapid Treatment – einfache Einordung und schnelle Behandlung. Das STaRT-Schema wird von medizinischem Personal durchgeführt und dauert pro Patient ca. 60 Sekunden.
Zu Beginn werden alle gehfähigen Patienten aufgefordert, sich zum Sammelpunkt zu begeben. Dort werden sie automatisch in die SK 3 eingeordnet und sind entsprechend nur leicht verletzt.
Bei anhaltendem Atemstillstand, auch nach Freimachen der Atemwege, werden Patienten als tot eingestuft.
Bei einer Atemfrequenz von über 30/min oder einer Rekapillarisierungszeit von über 2 Sekunden werden Patienten SK 1 zugeordnet.
Bei Bewusstlosigkeit oder einer inadäquaten Reaktion auf eine Ansprache werden Patienten AK 1 zugeordnet.
Alle übrigen Patienten gehören SK 2 an.
Eine Zuordnung zu SK 4 findet nur bei extrem limitierten Ressourcen statt.
Die Bedeutung von MANV für Unternehmen und öffentliche Einrichtungen
Eine gute Vorbereitung und regelmäßiges Training sind unerlässlich. Alle Mitarbeitenden, Gäste und Besucher:innen sollten darüber informiert sein, wie sie sich im Ernstfall eines MANV zu verhalten haben. Vorbereitungen können getroffen werden, indem dafür konzipierte Trauma Kits bereitgehalten werden. So kann in einem Ernstfall schnell reagiert werden und die wichtigsten Materialien für die schnelle Erste Hilfe befinden sich im Zugriff.